Nikolaus von Strehlenau

Nikolaus Lenau] (25 August 1802 - 22 August 1850 / Schadat

Faust. Der Tanz

Mephistopheles als Jäger (zum Fenster herein)
Da drinnen geht es lustig zu;
Da sind wir auch dabei, Juchhu!

(Mit Faust eintretend)

So eine Dirne lustentbrannt
Schmeckt besser als ein Foliant.

Faust
Ich weiß nicht wie mir da geschieht,
Wie mich's an allen Sinnen zieht.
So kochte niemals noch mein Blut,
Mir ist ganz wunderlich zumut.

Mephistopheles
Dein heißes Auge blitzt es klar:
Es ist der Lüste tolle Schar,
Die eingesperrt dein Narrendünkel,
Sie brechen los aus jedem Winkel.
Fang eine dir zum Tanz heraus,
Und stürze keck dich ins Gebraus!

Faust
Die mit den schwarzen Augen dort
Reißt mir die ganze Seele fort.
Ihr Aug' mit lockender Gewalt
Ein Abgrund tiefer Wonne strahlt.
Wie diese roten Wangen glühn,
Ein volles, frisches Leben sprühn!
's muß unermeßlich süße Lust sein,
An diese Lippen sich zu schließen,
Die schmachtend schwellen, dem Bewußtsein
Zwei wollustweiche Sterbekissen.
Wie diese Brüste ringend bangen
In selig flutendem Verlangen!
Um diesen Leib, den üppig schlanken,
Möcht' ich entzückt herum mich ranken.
Ha! wie die langen schwarzen Locken
Voll Ungeduld den Zwang besiegen
Und um den Hals geschwungen fliegen,
Der Wollust rasche Sturmesglocken!
Ich werde rasend, ich verschmachte,
Wenn länger ich das Weib betrachte;
Und doch versagt mir der Entschluß,
Sie anzugehn mit meinem Gruß.

Mephistopheles
Ein wunderlich Geschlecht fürwahr,
Die Brut vom ersten Sünderpaar!
Der mit der Höll' es hat gewagt,
Vor einem Weiblein jetzt verzagt,
Das viel zwar hat an Leibeszierden,
Doch zehnmal mehr noch an Begierden.

(Zu den Spielleuten)

Ihr lieben Leutchen, euer Bogen
Ist viel zu schläfrig noch gezogen!
Nach eurem Walzer mag sich drehen
Die sieche Lust auf lahmen Zehen,
Doch Jugend nicht voll Blut und Brand.
Reicht eine Geige mir zur Hand,
's wird geben gleich ein andres Klingen,
Und in der Schenk' ein andres Springen!

Der Spielmann dem Jäger die Fiedel reicht,
Der Jäger die Fiedel gewaltig streicht.
Bald wogen und schwinden die scherzenden Töne
Wie selig hinsterbendes Lustgestöhne,
Wie süßes Geplauder, so heimlich und sicher,
In schwülen Nächten verliebtes Gekicher.
Bald wieder ein Steigen und Fallen und Schwellen;
So schmiegen sich lüsterne Badeswellen
Um blühende nackte Mädchengestalt.
Jetzt gellend ein Schrei ins Gemurmel schallt:
Das Mädchen erschrickt, sie ruft nach Hilfe,
Der Bursche, der feurige, springt aus dem Schilfe.
Da hassen sich, fassen sich mächtig die Klänge,
Und kämpfen verschlungen im wirren Gedränge.
Die badende Jungfrau, die lange gerungen,
Wird endlich vom Mann zur Umarmung gezwungen.
Dort fleht ein Buhle, das Weib hat Erbarmen,
Man hört sie von seinen Küssen erwarmen.
Jetzt klingen im Dreigriff die lustigen Saiten,
Wie wenn um ein Mädel zwei Buben sich streiten;
Der eine, besiegte, verstummt allmählich,
Die liebenden beiden umklammern sich selig,
Im Doppelgetön die verschmolzenen Stimmen
Auf rasend die Leiter der Lust erklimmen.
Und feuriger, brausender, stürmischer immer,
Wie Männergejauchze, Jungferngewimmer,
Erschallen der Geige verführende Weisen,
Und alle verschlingt ein bacchantisches Kreisen.
Wie närrisch die Geiger des Dorfs sich gebärden!
Sie werfen ja sämtlich die Fiedel zur Erden.
Der zauberergriffene Wirbel bewegt,
Was irgend die Schenke Lebendiges hegt.
Mit bleichem Neide die dröhnenden Mauern
Daß sie nicht mittanzen können bedauern.
Vor allen aber der selige Faust
Mit seiner Brünette den Tanz hinbraust;
Er drückt ihr die Händchen, er stammelt Schwüre,
Und tanzt sie hinaus durch die offene Türe.
Sie tanzen durch Flur und Gartengänge,
Und hinterher jagen die Geigenklänge;
Sie tanzen taumelnd hinaus zum Wald,
Und leiser und leiser die Geige verhallt.
Die schwindenden Töne durchsäuseln die Bäume,
Wie lüsterne, schmeichelnde Liebesträume.
Da hebt den flötenden Wonneschall
Aus duftigen Büschen die Nachtigall,
Die heißer die Lust der Trunkenen schwellt,
Als wäre der Sänger vom Teufel bestellt.
Da zieht sie nieder die Sehnsucht schwer,
Und brausend verschlingt sie das Wonnemeer.
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