Nikolaus von Strehlenau

Nikolaus Lenau] (25 August 1802 - 22 August 1850 / Schadat

Der Schiffsjunge

Das wilde, schäumende Roß,
Gejagt von der Sporen scharfem Stoß,
Auf krumm gewundener Reiterbahn
Mit seitwärts geneigtem Leibe stürmt:
So fliegt, wie die Flut sich senkt und türmt,
Das Schiff die Wellen hinab, hinan,
Vom mächtigen Seitenwinde gefaßt,
Mit tief bordüber geneigtem Mast.

Es braust das Meer, es kracht und stöhnt
Des beladnen Fahrzeugs schwere Wucht
Auf seiner rastlos eiligen Flucht;
Der Matrosen freudiges Hurra! tönt.
Der Steuermann am Ruder steht,
Das Rad mit gewaltigen Armen dreht,
Stets blickend scharf aufs zitternde Schwanken
Der Bussole mit mancherlei frohen Gedanken
Schon hört er am Strande die Fiedel klingen,
Wo blühende, lustige Dirnen springen,
Die gerne dem Seemann sind zu Willen.
Vergnügt, die Heimat wiederzusehn,
Am Verdeck frisch auf und nieder geht
Waghaltenden Schritts der Kapitän
Und lächelnd empor in die Segel späht,
Die voll ihm schwellen zur Augenlabe
Von des Windes köstlicher, flüchtiger Habe.

Dort klettert ein Junge gar flink und heiter
Die Sprossen hinauf der schwankenden Leiter;
Schon hat er erreicht in munterer Hast
Die höchsten Segel am stolzen Mast;
Den Lüftefänger, den Wolkenraser,
Den Mondespflücker, den Sternengraser;
Da bricht das morsche Tau entzwei,
Woran er geschwebt, - ein banger Schrei -
Er stürzt hinunter ins Meer,
Und über ihn stürzen die Wellen her.

Umsonst, Matrosen, ist euer Bemühn,
Den Jüngling zu retten, er ist dahin!
Wie hungernde Bestien stürzen die Wellen
Dem Opfer entgegen, sie schnauben und bellen;
Schon hat ihn die eine wütend verschlungen,
Und über sie kommen die andern gesprungen,
Die um die Gierige neidisch schwärmen
Mit schäumendem Rachen und wildem Lärmen.

Die Sonne wiederum zu Himmel steigt,
Da ruhn die Winde, jede Welle schweigt,
Und traurig steht der feiernde Matrose,
Nachdenkend seinem wandelbaren Lose.
Klar blickt der alte Mörder Ozean
Dem Himmel zu, als hätt er nichts getan.
Aus des Frühlings warmen, weichen Armen
Riß das schnelle Unglück ohn Erbarmen
Ihn hinunter in das tiefe Meer.
Über ihm und seinen Jugendträumen
Seht ihr nun die kalten Wogen schäumen;
Seine Heimat grüßt er nimmermehr.

Oder hat der Frühling eine Kunde
Senden wollen nach dem kühlen Grunde,
Als er diesen Jüngling fallen ließ?
Sammeln sich um ihn die Seejungfrauen,
Froherstaunt, in der Korallenauen
Stillem, trübe dämmerndem Verlies?

Flechten sie schon freudig und erschrocken,
Schöner Fremdling, in die nassen Locken
Muscheln dir zum weißen Rosenkranz?
Werden sie in ihren Felsenriffen
Nicht von dunkler Sehnsucht schon ergriffen
Nach des Erdenfrühlings heiterm Glanz?
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