Anton Wildgans

17 April 1881 - 3 May 1932 / Vienna

Vielerlei hab´ ich der Gäste -

Vielerlei hab' ich der Gäste in meinem Garten am Hause,
Jeder Abschnitt des Jahrs kennt seinen eignen Besuch.
Kaum daß der Frühling sich kündet, erscheinen als erste die Falter,
Gelb wie Zitronen und weiß gaukeln sie über den Kies.
Später kommen die Bienen in Schwärmen und saugen den süßen
Seim aus den Kelchen des Dufts, den mir die Linde verstreut.
Aber im Herbst, wenn die Welt nach Heu und gefallenem Obst riecht,
Stöbert der Igel des Nachts geisternd durch raschelndes Laub.
Immer sind nur die Vögel: ob Winter, ob Frühling und Sommer ...
Nicht erst der Spatzen erwähn' ich, der zwitschernden Meisen und Finken,
Kaum der Amseln und kaum der kreischenden Käuzchen —
Eher schon nenn ich den Pirol, den goldenen Pfeifer, und manchmal
Stellt sich zur Zeit des Jasmins flötend die Nachtigall ein.
Ach, meine Beeren beschnäbeln die Racker, die Kirschen und Weichsein,
Während Marille und Nuß grün noch das Eichhorn benagt.
Da überkommt mich bisweilen die Mordlust und, Schrotdunst im Laufe,
Schleich ich mich lauernd heran, nehm' einen Räuber aufs Korn.
Oh, ich visiere genau, und dann — dann sinkt mir die Waffe —
Schwachen Geschöpfes Grazie hat mich entmannt.
Wollt' ich dich wirklich verlöschen, du rotes, du buschiges Flämmchen,
Welches vom Aste zum Ast dämmernde Wipfel belebt?
Wollt' ich dich wirklich verstummen, du goldenes Schnäblein des dunklen
Sängers, du traulicher Laut, der mir den Abend versüßt?
Nicht doch, lebet, Geschöpfe — und stopft euch die Kröpfe in Frieden,
Welchen freilich nur ich mit meiner Ernte bezahl'.
Und so halten sie's auch — vor meinen Augen — und wissen,
Nicht der Mensch ist der Tiere allergefährlichster Feind ...
123 Total read