Anton Wildgans

17 April 1881 - 3 May 1932 / Vienna

Prolog zu Thaddäus Rittners Komödie „Die Tragödie des Eumenes' - Po

Versammelte zu diesem ernsten Fest,
Das einem teueren Gedächtnis gilt,
Staunt nicht zu sehr, daß wir mit leichtem Spiel
Den Tag begehn, der uns das Herz beschwert!
Denn, Freunde, seht: es ist ja Griechenland,
Wenn auch ein etwas unwahrscheinliches,
Wohin uns heute der geliebte Geist,
Der abgeschiedene, traumweit entführt.
Ja, Hellas ist es, und es bildete
Der Grieche, schmückend teuren Staubs Gefäß,
Den Bakchos mit der holden Schar der Knaben,
Den Tanz der Ernten und der Winzer Lust,
Ja, selbst des Eros ungebundnes Spiel,
Mit einem Wort, die heitre Überfülle
Des Seins auf Sarkophag und Aschenkrug.

Und nicht nur dies! Auch ändern Brauchs besinnt
Euch Freunde! Ruhet nicht dem toten Fürsten
Als Sinnbild dessen, was ihm Leben war,
Krone und Zepter auf der letzten Statt?
Dem Krieger folgt das Streitroß, das ihn trug,
Dem Meister ziert sein Handwerkszeug den Sarg
Und, der in Tönen schuf, den führt ein Lied,
In Kraft empfangen, in der Lust des Lichts,
Ernst zwar, doch festlich auf den Schattenweg.

So tun auch wir mit diesem toten Dichter!
In Kraft empfangen, in der Lust des Lichts,
Dies gütig-heitre und so weise Spiel
Von Eumenes und der Titelia,
Dies Lied der Sehnsucht, dies Gedicht des Lächelns
Beleben wir durch unsre treue Kunst
Und locken so mit seiner eignen Leier
Wohllaut und Sanftmut den geliebten Schatten
Empor zu unsrer Trauer zartem Tag.

Denn dieser Eumenes, wer andrer ist's
Als er, der Freundliche, der uns verließ?
Ein Grieche dieser Eumenes, zwar auch
Ein etwas unwahrscheinlicher, jedoch
Gerade drum und, weil nicht allzu ängstlich
Gehüllt in sophokleisches Gewand,
Mehr als ein Grieche, mehr als Widerspiel
Dessen, der ihn erschuf: ein reines Abbild
Des Dichters, aller Dichter, ja sogar
Mehr als dies alles: ach, ein guter Mensch!

Ihr werdet ihn verwandt in Träume sehn
Am hellen Tag und so verliebt in Stimmung,
Daß ihn das bloße Wort der Wirklichkeit
Seinselbst beraubt! Und dies ist ihm Verlust,
Ein schwererer, als er ihn tragen kann,
Und den er doch erträgt, ein lächelnd Weiser.
Dann werdet ihr des Eumenes Geschick
Mitleben: wie der Zufall in Gestalt
Von irgendwem, den solch ein Dichter kennt,
Ihn tragikomisch in Gefähr verstrickt
Und seiner Hand ein Tun befiehlt, wovon
Sein Herz nichts weiß. Und f a s t verdürb' er dran,
Behütete ein guter Dämon nicht
Unsichtbar-sichtbar seinen wirren Weg.

Und wenn ihr dies gesehen, mitgelebt,
Vom Grazientanz umwittert heitrer Geister,
Dies Urgeschehn in jedes Dichters Sein,
Die edle Ohnmacht, die, an Taten brach,
Dennoch die Kraft ist, Welten zu erschaffen
Und Menschen nach dem eignen Ebenbild,
Dann war es mehr als bloß ein leichtes Spiel,
Dann tut aus seiner frühen Ewigkeit
Ein Menschenaug' sich auf und fühlt euch tief
In eure Augen, und den Widerschein
Von so viel Leuchten edlen Übermuts
Umschattet Wehmut, und die Träne quillt.

Indessen aber, Freunde, seid geneigt,
Euch zu vergessen! Denn den Dichter ehrt,
Nur wer ihm willig nachfolgt in den Traum;
Und reicht er euch in der kristallnen Schale
Den Trunk der Freude, zögert nicht, den Rand,
Den schimmernden, den Lippen anzusetzen,
Wär' euch zu trauern noch so sehr zumut!
Denn nicht allein in der Erschütterung
Der Seele, auch im Lachen wohnt der Gott,
Und Sohn des Hades ist Dionysos!
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