Anton Wildgans

17 April 1881 - 3 May 1932 / Vienna

Prolog vor der feierlichen Aufführung der Neunten Symphonie von Ludwig van Beethoven am 8. November 1925 zur Fünfzigjahrfeier der Erhebung des tausendjährigen Ortes Mödling zur Stadt - P

Du traute Stadt im heitern Wienerwalde,
Gegrüßt und hochgelobt zu deinem Fest!
Wie ruhst du schmuck an weißer Felsenhalde
Und immer überrauscht vom Schirmgeäst
Der sturmgeduckten schwarzen Wetterföhren,
Die zeichenhaft zu deinem Bild gehören.

Gesegnet Land, das sich von dir aus weitet:
Die Ebene, zu reicher Frucht gewillt,
Besonnte Lehnen, südlich hingebreitet,
Wo herb und süß die Heimattraube schwillt,
Und gegen Westen, wechselnd ohne Ende,
Wiesengebiet und sanftes Laubgelände.

Umsonst nicht ist von deinem Gotteshause,
Du alte Stadt, Sankt Othmar der Patron.
Dem frühen Gründer von Sankt-Gallens Klause
Verlieh der Herr als wackern Wandels Lohn
Ein unversieglich Läglein guten Weines
Zur steten Stärkung Geistes und Gebeines.

Solch ein Geschenk von unerschöpfter Fülle
Ist auch um dich die reizende Natur,
Ob eingemummt in weiße Winterhülle,
Ob auf des Frühlings bunter Blütenspur
Der Sommer tastet nach des Herbstes Fährten
Im freien Hag und in verträumten Gärten.

So bist, so warst du immer ein Geschmeide
In unsrer Heimatstädte schönem Kranz;
Hier zog schon Walther von der Vogelweide
Auf seinem Rößlein zu des Hofes Glanz,
Und zwei der hehrsten aller Menschennamen
Leuchten aus deinem tausendjährigen Rahmen.

Der eine Name eines großen Dichters,
Der mit der Liebe für sein Vaterland
Das weise Urteil des gerechten Richters
Für seines Volkes Wert und Fehl verband;
Einer von jenen, so wir immer brauchten:
Grillparzer ist der Name des Erlauchten.

Der andere ein fernher Zugereister,
Dem unser Land der Heimat Halt beschied:
Beethoven ist es, der gewaltige Meister,
Dem seiner hohen Messe festlich Lied,
Der Fügung schwersten Leides abgerungen,
In dir, du Stadt, zum ersten Mal erklungen.

Vielleicht ein Zufall in der Zeitenreihe,
Und doch für dich ein Schicksalswink und Glück:
Es gab die Kunst durch ihre höchste Weihe
Dir dein Geschenk des Friedens reich zurück,
Und deiner Landschaft ernst und frohe Schöne
Lebt fort in einem Menschheitswerk der Töne.

Sie lebt und du mit ihr! Und leben, blühen
Sollst du auch wirklich! Dies der Festesgruß.
Gesegnet all dein tätiges Bemühen
Für jene Gabe an den Genius!
Und mögest du der Lockung widerstehen
Und deiner Sendung wahre Wege gehen!

Die führen nicht zum Ehrgeiz des Erweiterns,
Zum Großstadtfrevel wider die Natur!
Nein, bleib du Zuflucht, Quellgrund des Erheiterns
Dem Geiste, der sich sammeln will! Denn nur
Nach dem, was eine Stadt dem Geist erwiesen,
Wird sie vergessen oder hochgepriesen:

Dem Geiste, diesem ewig unerbetnen
Gaste und Fordrer bei des Lebens Mahl,
Dem Geiste, diesem in den Staub Getretnen,
Wenn zwischen ihm und roher Gier die Wahl,
Dem Geiste, der sich dennoch aus dem Sumpfe
Noch jeder Zeit emporrang zum Triumphe! —

So rauscht auch fürder über unsern Wegen,
Ihr schwarzen Föhren, euern Windgesang!
So blüh auch fürder uns, du goldner Regen,
Wenn Frühling ist, auf dunklem Hügelhang!
Und, Sankte Othmar, uns zu Häupten hausend,
Behüte uns ein weiteres Jahrtausend!

Ja, hüte uns! Denn doppelt bist du worden
Uns ein Symbol. Ertönt doch jedes Jahr
In innigen, erhabenen Akkorden
Das Menschheitswerk von deinem Hochaltar,
Und immer wieder kling' es dem Gedränge
Herbeigeströmter, andachtsvoller Menge!

Andacht auch heut! —: Bereit sind schon die Geigen!
So tut euch auf und laßt den Alltag fliehn!
Auch heute, soll ein Lied des Meisters steigen!
So ehren wir am besten uns und ihn!
Und jedes Herz in diesem Festgebäude
Erschüttere der Hymnus: An die Freude!
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