Zu meinem Polterabend, lieber Freund,
bin ich so frei, Sie herzlichst einzuladen.
Fürchten Sie nicht, dass man en masse erscheint,
ich weiß ja den Geschmack von Euer Gnaden.
Ein ganz intimer Kreis von wen'gen Leuten,
die zu den Freunden unsres Hauses zählen.
darunter Sie, der Sie uns mehr bedeuten -
als Dichter - kurz, da dürfen Sie nicht fehlen!
Mein Bräutigam, der Ihnen nicht bekannt,
dem ich von Ihnen viel und oft berichtet,
ein Mann von Gaben, wenn er auch nicht dichtet,
ist Sie zu kennen äußerst schon gespannt.
Auf keinen Fall ist Förmlichkeit vonnöten,
sie kommen im Sakko. - Wahrscheinlich wird
im Garten, wenn das Wetter schön, soupiert.
Blumen und Toaste hab ich mir verbeten.
Und nun adieu! Für heute muss ich schließen.
Am Mittwoch also! Mit den besten Grüßen
von allen (auch von meinem Bräutigame)
verbleib ich Ihre treue ... - Klex und Name.
Du liebe, Du vertraute Mädchenschrift,
ich forscht in diesem allerletzten Brief
nach Bitterkeit, nach einem Tröpfen Gift,
und fand ihn doch am Ende nur - naiv.
Ein bisschen Spott, mein Gott, als Troubadour
und armer Teufel wird man nicht verschont
und ist ja doch Staffage nur
im Haus des Glücks, von anderen bewohnt;
und ist ein Geiger, der den wilden Harm
aus seiner Seele in die Saiten weint
und seiner Liebsten aufzuspielen scheint
zu Tanz und Lust in eines ändern Arm;
und ist ein Magier, der Herzen reich
und hoffend macht, das Wunder zu erwarten,
doch dann vor seinem eignen Zaubergarten
Almosen einstreicht, einem Bettler gleich,
und sich nicht kann mit jenem ändern messen,
der Lebe gibt und überdies - zu essen.
Der Polterabend kam und war nicht öder,
als solche Abende gewöhnlich sind.
Die Eltern segnen still ihr Kind,
dem Bräutigame gratuliert ein jeder.
Dann kommen sie in Stimmung. Ihre Wänste
sind angemästet, röter die Gesichter.
In feuchten Augen schwimmen irre Lichter
des Pommery betörende Gespenste.
Da fällt ein Glas und dort der erste Toast
von Lippen, die von Wein und Rührung lallen.
Und wie die Kelche aneinander prallen,
da blökt die ganze stumpfe Herde: „Prost!' -
Und Du, Suzon - was ludest Du mich ein?
Kennst du denn deinen alten Freund nicht besser?
So zeigt man dem Verurteilten das Messer,
mit dem man morgen will sein Henker sein.
Ist, glaubst du, meine Phantasie verdorrt,
dass sie sich nicht in Ekelqualen malt,
wie morgen deine schimmernde Gestalt
vor dieses Bockes Blicken sich entflort?!
Doch da, indes zwei Lippen zögernd saugen
am Schimmermunde des Kristalles,
ein langer Blick aus grünerglühten Augen.
Da jauchzt mein Blut, und alles weiß ich, - alles!
Und durch vertrauter Gänge Lampenschimmer
steh! ich mich heimlich in ihr Mädchenzimmer.
Da bist du wieder, lieber Dämmerraum.
Im Schatten jede Linie zergangen,
des Mondes Licht in bleiche Stores verfangen.
Da bist du wieder, längst gelebter Traum
tastender Liebe zweier Kinderseelen,
die Schumannliedern und Gedichten lauschten
von Lenau und Musset und sich berauschten
an Wiesenduft und hellen Vogelkehlen
und eines Abends dann beim Verselesen
verwirrt erkannten, süßen Staunens voll,
dass Klänge, Worte, Düfte nur Symbol
für ihrer Lippen erstes Glück gewesen.
Und dort, im Hintergrunde, weiß verhangen,
dein Bett, bereit, wie eine weiche Gruft,
des schlanken Leibes letzten keuschen Duft,
die letzten Mädchenträume zu empfangen.
Da huschts herein - so wie sie damals kam,
und alles war wie einst, so dass sie wieder
mein Haupt in ihre beiden Hände nahm,
mir leise küssend die geschlossnen Lider -
Nur dass sie jetzt, an meiner Brust geborgen,
mit einem Mal so stumm ward und so schwer
und dass ein düstres „Nimmermehr'
uns beben machte statt des süßen „Morgen!'
Und wie ihr meine Hand die Wange streicht,
da wird die Hand von heißen Tränen feucht.
Und dann steht sie vor mir, halb Sphinx, halb Kind -
Wie diese rätselgrünen Augen schauen,
wie hart auf einmal diese steilen Brauen
und diese Wangen starr wie Alabaster sind.
Und wie dann noch einmal im Niederneigen
mein Mund an diese kühlen Lippen rührt,
hat sie ein Fremdes mir, ein Traum, entführt -
und diese Lippen sind nicht mehr mein eigen.