Oh, sei nicht traurig, weine nicht, mein Kind,
Und laß uns scheiden, ohne es zu müssen!
Zwei Schmetterlinge nahm der Frühlingswind
Auf seine Schwingen, daß sie satt sich küssen,
Und jetzt ist Herbst! In allen Gärten sind
Die Äste schwer von süßen Überflüssen,
Und auf den Hügeln bollern die Salute
Dem schäumenden rotgoldenen Traubenblute.
In dieser der Erfüllung üppigen Zeit
Mag auch die Liebe ihre Ernte tragen!
So laß uns stark und ohne Bitterkeit
Den letzten langen Kuß des Abschieds wagen
Und weise sein, eh unser Herz verschneit
Und Mühsamkeiten es wie Frost zernagen:
Die Frucht ersehnt, daß sie gebrochen werde,
Das Müdgelebte fault und wird Gebärde.
Noch wittert der Verwesung herber Duft
Nur leise mahnend, ohne zu zerstören,
Und in den Nächten wiegt sich noch die Luft
Klingend genug, die Sinne zu betören,
Indessen mächtig durch die Wälder ruft
Brünstiger Hirsche aufgeregtes Röhren:
Zu dieses Urlauts großem Orgeldröhnen
Ziemen nur Worte, welche freudig tönen.
So weine nicht, du blühendes Geschmeid,
Das ich um meine Einsamkeit gewunden!
Du bist so jung, für dich ist noch das Leid
Die Arzenei, um tiefer zu gesunden,
Und dieses Leben noch ein köstlich Kleid,
Leuchtend von Perlen ungelebter Stunden —
Ich muß die kommenden bedächtig nützen,
Um die gelebten dauernd zu besitzen.
Doch du wirst jung sein, immer wieder wird
Zu dir der Frühling von den Hängen steigen,
Und immer wieder wird dein Haar verwirrt
Vom Tanze sein und von dem Rausch der Geigen.
Ich aber will, von keinem Reiz beirrt,
Mich tiefer in die eigne Seele neigen
Und alles Ewige aus unsern Liebesnächten
Wie rote Rosen in mein Lied verflechten ...
Der Herbst verging. Wir hatten beide nicht
Die Kraft, das süße Labsal abzusetzen.
Da ward das Leben uns ein schal Gericht,
Was Freude war, kalt-sinnliches Ergetzen.
Erst nahmen wir die Maske vors Gesicht,
Nicht sehen wollend, bis auch die in Fetzen
Zerfiel. — Wir haben nie aus diesen Stunden
In unsere Liebe wieder heimgefunden.